Liebe Lala! (oder so)
Mama hat total die Szene gemacht, als sie erfuhr, dass Max heute vorbeikommt. Sie meinte, er käme nicht in ihre Wohnung. Obwohl heute Mama-Wochenende ist! Und Max hält sich (im Gegensatz zu Lex) halt immer noch an die Wochenenden, obwohl er auch volljährig ist. Aber Mama interessiert das gar nicht. Sie meint, er hätte sich das vorher überlegen müssen. Und dann hat sie mir den Kontoauszug gezeigt, der in der Post war, und sich noch mehr aufgeregt über Max, er hätte das ganze Geld vom „Kinderkonto“, wie sie es nennt abgehoben. Weil sie sich so aufgeregt hat, dachte ich zuerst, sie meint das ganze Geld auf dem Konto, aber es fehlte genau ein Drittel – auf den Cent genau. (Max ist immer so ober-ehrlich!) Ich meinte, das ist erstens sein Geld und zweitens kann er doch wenigstens mich besuchen kommen, auch wenn sie ihn nicht sehen will? Ich meinte, er kann auch ruhig bei mir im Zimmer übernachten, auf Hannas Matratze. Mama glaubt echt, dass Papa das Geld eingesackt hat. Und sie weiß auch noch nicht, dass Max diese Woche bei Papa quasi ausgezogen ist und jetzt im Bandraum schläft. Max braucht das Geld bestimmt für einen Verstärker oder so was. Obwohl das schon ein verdammt teurer Verstärker wäre … Papa hat jedenfalls gar nichts mit dem Geld am Hut. Das weiß ich ganz genau. Er hat genug Geld, und Leila arbeitet jetzt ja auch schon seit Anfang des Jahres. Mama glaubt eh was sie will, und wenn man was von Papa erzählt, hört sie einfach weg. Na ja.
Weil der Streit mal wieder zu nichts führte, bin ich in mein Zimmer gegangen. Ich dachte, sie wird sich schon abregen. Und eben rief mich Max übers Handy an, und fragte, warum keiner die Tür aufmacht. Ich hatte die Klingel nicht gehört. Als ich runter ging, um die Tür aufzumachen, sah ich, dass Mama die Klingel abgestellt hatte.
Max hat dann jedenfalls mit der Schulter gezuckt und ist wieder gegangen.
Sie ist echt unglaublich! Und ich glaube nicht, dass es ihr ums Geld geht, oder so. Sie ist einfach beleidigt, weil Max zu Papa gezogen ist. Lex hängt zwar auch ständig bei Papa rum, aber davon bekommt sie nichts mit, weil sie glaubt, er wäre bei seiner Freundin. Max ist einfach viel ehrlicher, und er meint es gar nicht so. Lex schont sie, wo er nur kann. Ich glaube, das bekommt ihr nicht.
Papa meint, wo er jetzt hinzieht wäre auf jeden Fall genug Platz für drei oder vier, zumindest bis das Baby ein eigenes Zimmer braucht. Ich müsste vielleicht erst mal ein Zimmer im Keller nehmen. Er sagt, er weiß, dass es mit Mama nicht einfacher wird. Ich soll drüber nachdenken. Ich weiß nicht. Mama wäre ja dann fast allein. (Lex ist ja kaum zuhause.) Aber man kann es ihr einfach nicht recht machen. Außerdem, sie braucht echt Hilfe wegen George. George ist ein Sprachschüler („Schüler“, obwohl er Ende zwanzig ist!). Er wohnt in Mamas altem Arbeitszimmer. Mama hatte sich gegenüber der Sprachschule verpflichtet, George jeden Abend warmes Essen anzubieten. Sie macht aber oft bis abends Überstunden, seit sie den neuen Leitungsjob hat. Also muss ich kochen. (Was heißt „muss“, ich koche voll gerne.) George und ich essen also oft zusammen. Er ist echt nett. Ich habe ihn am Anfang gar nicht verstanden, weil er so schlecht Deutsch konnte, jetzt geht es ganz gut. Er ist Amerikaner, wie Theo, Mamas Onkel (bzw. der Mann von Mamas Tante Gabi, die früher immer auf uns aufgepasst hat, als Mama noch studiert hat). George ist eingezogen, als Max ausgezogen ist. Ich glaube, Max wollte eigentlich ins Arbeitszimmer ziehen, als Mama das Zimmer nicht mehr brauchte. Aber Mama meinte, sie bräuchte das Geld. Und das Zimmer bei Papa sei eh schöner, fand Max. Irgendwie hat Mama ja doch auch Schuld, dass Max überhaupt ausgezogen ist.