151. – Stranger Than Fiction

Vor einer halben Stunde. Ein Bund Suppengemüse und eine Zucchini in meiner Hand, drehe ich mich um. Da steht ein stattlicher Mann mit Oberlippenbart und sagt: „Ich danke Dir, Gott, für Schokolade.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es nicht zu mir sagt, sondern nur in meine Richtung. Ich stehe vor den Keksen, die ich am liebsten kaufe. Mit Schokostückchen. Und nicke zustimmend. Das ist eine Dankbarkeit, mit der ich etwas anfangen kann.
Weiter: „Ich bin …“, er sucht nach dem Wort, „Gläubiger …“, und etwas, das ich nicht verstehe. Kein Muttersprachler.
„Sie meinen, Sie glauben? Das ist gut. Ich auch.“
„Danke für das Brot“, sagt er, eine Tüte Toastbrot anhebend.
Ich mag es nicht, wenn man mich anguckt, während man mit anderen spricht. Und sei es mit Gott.
Vielleicht will er, dass ich seinen Einkauf bezahle, denke ich, und: Mal sehen, wie viel es ist. Schokolade und Toastbrot, das ginge.
Ich fühle mich gut, bester Laune. Ich habe gerade die 200 Seiten meiner gesammelten Werke, meiner Schöpfung, ausdrucken lassen. Sieben Euro. Sehr preiswert.

Der Gläubige spricht mich an der Kasse nochmals an. Er hat ein sehr einnehmendes Lächeln, trotz schlechter Zähne. Er verneigt sich. Das hat er vorhin, im Gang, auch gemacht, aber da habe ich es ignoriert.
Er sagt: „Du bist sehr schön und sehr gut, Gott.“
„Danke“, sage ich, „aber Sie verwechseln mich.“
Ich bin unrasiert, fällt mir ein.
Keine Frage: Er hält mich für Gott. Obwohl ich anstehe, obwohl ich zahle.
Er ist nach mir dran, und die Kassiererin muss um seine Aufmerksamkeit bitten. Er ist abgelenkt durch seine Begegnung mit Gott. Mit mir.
„Wir werden uns wiedersehen“, sagt er. Und zahlt.
„Auf dann“, pariere ich.
Er packt noch seine Ware ein, während ich den Laden verlasse. Ich hole ein gestern bestelltes Buch im Antiquariat gegenüber ab und bin nicht in der Lage, dort Augenkontakt aufzunehmen.
Ich hatte eine Geschichte über Gott auf Erden geschrieben, und darin als Erzähler auch Seine Person angenommen – die Geschichte befindet sich in meinem Rucksack, zwischen den Keksen, dem Gemüse und dem gekauften Buch.

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