Ich frische zurzeit meine Matriarchatslektüre auf.
Kal-El, so Supermans Geburtsname, wurde von seinen Eltern ausgesetzt – wie Oedipus, aber anders motiviert. Er ist eine Figur reiner Fiktion, und es ist spannend zu betrachten, wie Aspekte seiner „Legende“ aus erzähltechnischen Notwendigkeiten entstanden sind („Not macht erfinderisch.“). Kryptonit wurde in der Superman-Radiosendung der 40er erfunden, um zu erklären, warum sich seine Stimme während des Urlaubs des regulären Sprechers vorübergehend änderte. Zugleich wurde so eine Möglichkeit geschaffen, die Spannung zu erhöhen, da Superman nun eine Schwäche aufwies.
In der aktuellen TV-Serie „Smallville“ ist das Kryptonit schon das tragende Element des episodischen Storytelling. Als Kal-Els Rettungsboot nämlich in der Nähe von Smallville landete/abstürzte, brachte es einen Meteorschauer mit sich, der für manch spannende Veränderung in der Physis etlicher Einwohner sorgte.
In einer der letzten Folgen der dritten Staffel von „Smallville“ kam endlich Clarks (so Kal-Els irdischer Name) leibliche Mutter zur Sprache, weil der Darsteller des Ziehvaters sich um die Vorbereitung einer der folgenden Episoden kümmern musste, für die er die Regie übernommen hatte. Er stand schlicht nicht zur Verfügung. Vorher war der leibliche Vater, Jor-El – wenn auch nur mit seiner Stimme – im Vergleich zur leiblichen Mutter in der Serie überrepräsentiert. Anscheinend hatte Lara (so der Name der Mutter) daheim nicht viel zu melden. Nun gut, Jor-El hatte wohl das Schiff gebaut, das Kal-El retten würde.
Lara bekommt im zweiten Superman-Film einen Auftritt, weil die Produzenten nicht die Absicht hatten, Marlon Brando, dem Darsteller des Vaters, das Geld zu zahlen, das sie ihm geschuldet hätten. Dabei war die Szene schon gedreht worden – und wurde nun in so einer Art „Director’s Cut“ wieder reingesetzt.
Wenn ich, wie John Byrne in den 80ern, und neuerdings Mark Waid, eine neue retroaktive Superman-Kontinuität erfinden dürfte, würde ich auf Krypton ein Matriarchat errichten, in dem alle männlichen Erstgeborenen versklavt werden. Und Jor-El, der leibliche Vater, würde heldenhaft seinen Sohn davonschicken, damit er auf der Erde in Amerika in patriarchaler Freiheit aufwachsen könnte. Wo sonst, wenn nicht dort?