70. – Zitatenhaftes Zugeständnis

Das Entscheidende am »ozeanischen Gefühl«, das Freud, einen Freund zitierend, als die ursprüngliche Befindlichkeit des religiösen Menschen anführt, und das er meint, bei sich nicht entdecken zu können*, ist wohl nicht so sehr die unermessliche Fläche, die das Meer bietet, auch nicht der Horizont, der es vom Himmel trennt, sondern vielmehr die Tiefe, die zu ahnende Tiefe, die keine Leere ist. Natürlich immer die Tiefe des Betrachtenden.

Sehe ich den Ozean als spiegelnde Fläche an, so spiegele ich mich – mit dem Himmel – darin wider. Doch nur aus der Entfernung ist das Meer je sanft und glatt. Und gewaltige Wogen sind die Wirklichkeit. Und ungeheures, schwimmendes Getier, das mir lauernd nach dem Leib, zumindest Körperteilen, trachtet. Diesen Teil von mir gestehe ich den Monstren zu, bin ich bereit zu opfern – wenn ich strauchelnd nur das Ufer noch erreichen darf.

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*  Freud 1930, Das Unbehagen in der Kultur
»Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen,
dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst,
blickt der Abgrund auch in dich hinein.«
(Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse)

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