Wir hatten lange nicht voneinander gehört. Er hatte meinen Bruder erzogen, so wie zuvor meinen Vater. Beide, mein Vater und mein Bruder, nannten ihn „Papa“. Ich wuchs bei meiner Mutter auf.
Ich nahm nach langer Zeit mit ihm Kontakt auf. Anlass war die Wiederannahme meines Geburtsnamens, seines Namens, nach meiner Scheidung. Ich wollte ihm davon erzählen. Dabei hatte er nicht mal erfahren, dass ich überhaupt geheiratet und den Namen meiner damaligen Frau angenommen hatte. Ich war ja auch – genau genommen – nicht sein Enkel.
Er lud mich zu sich in die Wohnung ein. Eine Wand war vollgehängt mit Bildern seiner Tochter und seiner beiden verstorbenen Frauen. Er hatte nach dem Tod seiner ersten Frau, meiner Großmutter, noch einmal geheiratet. Davon hatte mir mein Vater erzählt. An der Wand hingen auch Bilder seiner Enkel und seiner Urenkelin, also der Kinder und der Enkelin seines einzigen leiblichen Kindes, seiner Tochter, der Halbschwester meines Vaters, die wie eine Schwester mit meinem Bruder aufwuchs, obwohl sie – genau genommen – seine Tante ist.
Weder von meinem Vater noch von meinem Bruder hing auch nur ein Foto an der Wand.
Zuletzt sahen wir uns ein Jahr später zur Bestattung meines Vaters, seines Ziehsohnes, im Mai letzten Jahres.
Gestern erfuhr ich, er sei vorgestern plötzlich gestorben.
Ich mochte ihn, meinen Großvater. Ich stand ihm zwar nicht sehr nahe. (Er war – genau genommen – auch nur der Ziehvater meines Vaters. Ich sprach ihn mit dem Vornamen an, statt mit „Opa“ oder etwas Ähnlichem. Darauf hatten wir uns nach einigen Unsicherheiten geeinigt.) Von ihm habe ich aber meinen Nachnamen – über meinen unehelich geborenen Vater, den er angenommen hatte, und dem er seinen Nachnamen verlieh –, meinen Geburtsnamen, den ich wieder angenommen habe.
Davon habe ich meinem Großvater noch erzählt.
Und an meiner Wand hängt ein Bild von ihm.