112. – Kolonialmächte

L:        »Papa, verstehst du Spanisch?«
P:         »Nein, ich kann kein Spanisch, Liebes.«
L:        »Warum nicht?«
P:         »Habe ich nie gelernt.«
L:        »Warum nicht?«
P:         »Naja, ich habe andere Sprachen gelernt. Englisch, Französisch …«
L:        »Warum denn nicht Spanisch?«
P:         »Warum denn Spanisch? Wie kommst du auf Spanisch?«
L:        »In dem Comic aus der Bücherei, da wird Spanisch gesprochen.«
P:         »Ach so.«
L:        »Warum hast du nicht Spanisch gelernt?«
P:         »Naja, weißt du, Liebes, ich bin dreizehn Jahre zur Schule gegangen, davon habe ich neun Jahre lang Englisch und sieben Jahre lang Französisch gelernt. Die Schule hat das so angeboten.«
L:        »Aber das sind doch sechzehn Jahre.«
P:         »Gut gerechnet!«
L:        »Wie geht denn das, Papa?«
P:         »Na, ich hatte gleichzeitig Englisch und Französisch. Mit Englisch habe ich angefangen und später kam Französisch dazu. Als Latein angeboten wurde, habe ich mich für ein anderes Fach entschieden. Latein habe ich erst im Studium gelernt. Stimmt. Latein kann ich noch, und Altgriechisch und Hebräisch. Das muss man lernen, wenn man Pfarrer wird.«
L:        »Warum heißt das ›Altgriechisch‹?«
P:         »Weil das die Griechen in der Antike gesprochen haben; die heutigen Griechen sprechen anders.«
L:        »Wer spricht denn Latein, Papa?«
P:         »Das waren die alten Römer.«
L:        »Warum heißt das dann nicht ›Altrömisch‹?«
P:         »Das weiß ich auch nicht. Die Römer heute sprechen Italienisch.«
L:        »Rom ist doch die Hauptstadt von Italien, oder, Papa?«
P:         »Ja. Gut! Du kennst dich aus.«
L:        »In dem Comic gibt es auch Römer. Die spinnen, die Römer.«
P:         »Ach, das ist bestimmt Asterix und Obelix, oder, Liebes?«
L:        »Ja.«
P:         »Zeig mal her.«
L:        »Hier. Das ist doch spanisch, oder?«
P:         »Nein, Liebes, das ist französisch. Das ganze Heft ist auf Französisch.«
L:        »Aber das sind doch Asterix und Obelix bei den Spaniern!«
P:         »In Spanien, ja.«
L:        »Genau: ›Asterix und Obelix in Spanien‹. Das kenne ich, das habe ich bei Mama.«
P:         »Warum hast du dir das dann ausgeliehen?«
L:        »Damit du es mir vorlesen kannst. Mama hat gesagt, dass ihr früher zusammen Asterix und Obelix gelesen habt, als ihr klein wart.«
P:         »Stimmt. Das hat sie dir erzählt? So klein waren wir gar nicht. Warum hast du es auf Französisch ausgeliehen?«
L:        »Die anderen waren ausgeliehen, und es kostet ja nichts, und ich dachte, das wäre spanisch.«
P:         »Da hast du ja nochmal Glück gehabt. Soll ich es dir übersetzen? Komm her.«
L:        »Kannst auch vorlesen, ist bestimmt lustig.«
P:         »Bestimmt. Nein, ich übersetze es dir, Liebes, okay?«
L:        »Na gut.«
P:         »›Wir befinden uns im Jahre 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen …‹»
L:        »Papa, du liest ja gar nicht.«
P:         »Liebes, der Anfang ist doch immer gleich.«
L:        »Stimmt. Der Anfang ist immer gleich. Und das Ende auch.«
P:         »Und das Ende auch. ›Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.‹«

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