15. – Sein (Epilog)

Ich habe das verdammte Teil erst heute gekauft; seit Lisa da ist, immer nur die alten getragen. Und diese unglaublich monströsen Still-BHs. Die kann man zu einer Party echt nicht tragen. Erst recht nicht mit rückenfreiem Oberteil. Was habe ich mir dabei nur gedacht?

Ich dachte, ich brauche einen Kerl. Das habe ich gedacht. Gott. Zwei Jahre.

Alle haben mir auf die Titten geglotzt. Oder vielleicht bilde ich mir das nur ein. Vor Lisa waren sie ja auch nicht so groß. Ich bin aus der Übung.

Wenigstens regnet es nicht mehr.

Ich muss gleich heulen. Er soll jetzt aufwachen. Ich will nicht allein sein.

Er erinnerte mich gleich an diesen Typen im Fahrstuhl. Seine Augen. Die langen Haare hingen ihm im Gesicht. Er hatte ein Baby auf dem Bauch, im Tuch, vielleicht ein halbes Jahr alt. Diese furchtbaren Jesus-Latschen. Er hatte schrecklich verheulte Augen und streichelte immerzu diesen kleinen Schädel. Er liebte dieses Kind. Er stand hinter einem leeren Rollstuhl. Traurig und blass. Es war klar, dass wer auch immer in diesem Rollstuhl gesessen hatte, ihn nicht mehr brauchen würde. Und ich hoffte, dass es nicht die Mutter war.
Und ich dachte, Männer können das doch, lieben, sich um ein Kind sorgen. Heulen. In aller Öffentlichkeit. Diese Augen.

Komm jetzt, wach mal auf, du Doofkopp. Ich heule gleich. Dein Kopf ist so schwer.

Klar, können Männer lieben. Kann ich denn überhaupt lieben?

Bist du das, der Mann aus dem Fahrstuhl? Wo sind deine Haare hin? Damals waren die nicht so spärlich. Zwei Jahre. Blass bist du auch. Oben vor dem Spiegel hattest du ziemlich rote Wangen. Ich dachte, wenn ich jetzt lasziv mein Haar schüttele, kriege ich dich rum. Darauf steht ihr doch: Titten, Arsch und lange Haare. Und von allem habe ich mehr als genug, dachte ich. Heute Nacht auf jeden Fall noch.

Bist du anders?

Während der ganzen Geburt musste ich an dich denken.

Sechs Stunden.
Andreas wollte unbedingt, dass ich im Krankenhaus das Kind kriege. (Da war sie noch ein »es«.) Aber gekommen ist er erst in der letzten Minute. Wie immer. Wenn er überhaupt kommt. Arschloch.
Männer können lieben, aber zeigen können sie es nicht. So ist das.

Bist du anders? Langsam mache ich mir doch Sorgen. Wie lange liegst du denn jetzt hier? Wie spät ist es denn überhaupt? Liegst auf deiner Uhr. Scheiße.

Jetzt heule ich doch.

Dieser wunderschöne Kopf.

Komm her.
Bleib hier, bleib bei mir.
Schlaf ruhig.

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