51. – Bilderverbot (Offenes Feuer)

„Herrbsd“, sagen die Franken, die „Frrangn“. Herrbsd is‘. Des Fennsda is‘ aaf.
Reicht.
Also, Fensta is‘ off’n (zum Hof), ick liech unta de Decke.
Und kann den Müll nicht runterbringen, weil die Tonnen voll sind.
Hatte gestern noch gedacht, die Abfuhr käme dienstags. Hab mich wohl geirrt.
Geruch von einem schweren Mahl steigt ins Zimmer. Dunkle Soße. Fleisch.
Obwohl erst elwe is‘.
Keine Gastronomie hier ansässig, die mir das plausibel machen würde.
Ich hab noch nicht gefrühstückt. Notebook auf der Decke, auf den Oberschenkeln, auf dem Schoß, sozusagen. So gesehen ein Laptop.
Der Kaffe würd kalt, wie meene Untaahme,
weil ich das hier tippe, und keinen Pullover anhabe.
Liegt am Fußende. Kapu. Schwarz. Mit Che drauf, weil meine Gattin mir verbot, eins mit „Neukölln 44“ drauf zu kaufen. Nicht zu kaufen, aber zu tragen.
Mein zur Schau gestellter Lokalpatriotismus ist durchtränkt von Ironie, aber liebevoller, wie ich finde. Bin für Multikulti, und finde es zugleich bescheuert. Als Anliegen. Man wohnt halt beieinander. Mich stören Parallelgesellschaften eher. Aber ich wohne hier und lebe hier. Im Hausflur verschleierte Frauen schütteln am Hoffenster unverschleiert ihre Betten aus. Sie trennen ihren Müll nicht richtig, sagt der Hauswart, und bittet meine arabisch sprechende Gattin, doch zu vermitteln.
(Nicht aus Pedanterie, sondern, weil es tatsächlich Geld kostet. Und man hat ja hier nicht viel.)
Auf der Sitzbank im U-Bahnhof zog einer sich etwas in die Nase, als ich vor kurzem mit meinen Kindern dort die Treppe runterkam. Das muss ich nicht haben. Toleranz sei heilbar, las ich neulich in Fraktur oder Gotisch auf einem T-Shirt.
Gerade wegen der Kinder habe ich aber die Exekutive nicht gerufen.
Die Exekutive hatte – da war ich auch mit den Kindern unterwegs – letztens zu fünft um eine andere Sitzbank in einem anderen Neuköllner U-Bahnhof um einen Mann herum gestanden, einem Trinker, der ein Kreuz aus brennenden Teelichtern auf dem Boden vor der Bank ausgelegt hatte. Er trauerte wegen eines Freundes, der am Tag zuvor genau dort gestorben sei. Ich glaubte ihm. Dabei standen viele Beobachter („bystanders“?).
Als Geste zog er seine Bomberjacke aus. Einer der exekutiven Stiefel trat die Kerzen aus. Acht andere trugen den Mann aus dem Bahnhof. Ich schüttelte den Kopf. Wie viele andere. Was das kostet. Teelichter brennen nicht lange. Eine BVG-Angestellte bat einen Jugendlichen, nicht zu filmen, und sein Handy wegzustecken. Sie war mein Held des Tages. Ich nickte ihr zu. Sie hatte Tränen in den Augen, glaube ich. Vielleicht hatte sie am Vortag Dienst gehabt.
Ich stamme eher aus dem Kreuzbergischen und dem Britzschen. Neukölln liegt halt dazwischen. Weiter gedacht, stamme ich aus dem Friesischen und dem Ostpreußischen. Berlin liegt halt dazwischen. Es gibt da noch eine genetisch unbekannte Komponente, weil das Geheimnis eines Zeugers nie gelüftet werden konnte. Soldat war er wohl. Kriegsenkel bin ich. Neuköllner.

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