An der Ecke spricht mich ein Junge an, fast alt genug, um cool zu sein. Vielleicht elf? Lederjacke. Er fragt mich, ob er seine Mutter anrufen könne; er warte seit einer halben Stunde hier auf sie. Er meint mein Handy. Es ist ihm unangenehmer als er zeigen will. Er könnte höflicher sein. Ich bitte ihn, mir die Nummer zu sagen, damit ich sie eintippen kann. (Ich vermute, er könnte schneller rennen als ich und ich will ihm das Handy nicht ohne Weiteres aushändigen. Vertrauensbildende Maßnahme.)
Ich tippe ein und frage nochmal nach, um zu sehen, ob die Nummer sich ändert (weil sie vielleicht ausgedacht ist). So langsam sehe ich Anzeichen von Stress, oder eher Kummer in seinem Gesicht – aber die Nummer ist zweimal dieselbe und ich zeige ihm das Eingetippte und tu so, als wäre ich ungeschickt, damit er mein Misstrauen nicht spürt. Nummer stimmt. (Hand aufs Herz: Wie viele von euch kennen die Handynummer eurer Mutter auswendig?) Ich gebe ihm das Handy. Er schimpft sehr kurz arabisch ins Handy, wendet sich ab, weint aber nicht und gibt mir schnell das Handy wieder und drückt mich beiläufig ziemlich uncool: „Danke! Sie kommt gleich. Danke. Danke.“