2022-05-13

Omi wäre heute hundert geworden, fiel mir beim Morgenkaffee auf, den ich mit der, der ich angetraut bin zu trinken pflege.
Im Freundeskreis ist Arschloch Krebs mal wieder zugange.
Ich gehe derzeit die alten Unterlagen durch, die Omi und ihre Tochter, Mutti, mir hinterlassen haben. Dokumente und Fotos. Ich nutze die neuen digitalen Möglichkeiten, Telefonbuch-Archive der Landesbibliothek, zum Beispiel, und HistoMapBerlin, um die vor etlichen Jahren gesammelten Daten zu aktualisieren und zu prüfen, die ich jetzt in die Cloud transferiert habe, damit ich immer darauf Zugriff habe. Es zeigen sich kleine Fehler.
Ein Beispiel: Meine Großeltern haben vor der Geburt meiner Mutter mit meinem Onkel in der heutigen Karl-Marx-Straße 39 („Berliner Straße 88“) gewohnt und nicht in der 49, wie ich damals notierte. Danach am Mehringdamm (der zuvor Belle-Alliance-Straße hieß). Beide Straßen wurden 1947 umbenannt, sagt Wikipedia, und neu durchnummeriert. In den Unterlagen kommen beide Straßen mit jeweils den alten und den neuen Namen und Nummerierungen vor. Kurios.
Ich wohne an der Kirche, in der meine Mutter getauft wurde, stellt sich heraus. Das klingt normal, ist aber ein absurder Zufall (es sei denn, Du glaubst nicht an solche Zufälle). Denn wir wohnen hier, weil die Wohnung der, der ich angetraut bin von ihrer Arbeitgeberin zugeteilt wurde. Residenzpflicht. Wir ziehen oft um. Ich habe in Berlin in etlichen Bezirken gelebt (und in den USA; Stiefvater, Dad, war Soldat).
Ich glaube nicht an Ahnenkult, an die in unserer Kultur überbetonte Relevanz von Erbe für die Identität. Ich glaube an Fürsorgegemeinschaften. Ich stehe sogar Biografien kritisch gegenüber. Artifizelle Kontinuitäten. Flussbegradigungen. Patriarchat. Meine Forschungen betrieb ich damals nämlich zuerst für meine Omi, die in eine Einrichtung verlegt werden sollte, die mit Biografie arbeitet, um mit der Demenz der Klient:innen umgehen zu können. Würde. Mutti, ihre Tochter, bat mich darum, das in die Hand zu nehmen, denn da war sie schon befallen vom Arschloch. Und weil sich das nicht sinnvoll trennen lässt, haben wir Muttis Biografie gleich mit bearbeitet. Mutti wollte, zeigte sich, auch ihr eigenes Leben entwirren.
Omi wurde gar nicht mehr verlegt. Sie starb auf den Tag genau ein Jahr nach ihrer Tochter.
Und jetzt habe ich diese ganzen Daten an der Backe, an deren Relevanz ich stark zweifle. Ich hatte sogar gelernt, deutsche Handschrift zu lesen.
Omi starb nicht an Krebs.
Whatever.
Ich mache seit einigen Jahren Sport, damit ich zum Beispiel eine Chemo halbwegs überstehe. (Oder wegrennen kann, wenn hier Krieg ausbricht und ich einen Soldaten geohrfeigt habe. Was weiß ich. Ich meine das nicht rational. Drei Klimmzüge müssen einfach drin sein. Wenn die Aufzüge nicht mehr funktionieren.) Eine, damit ich etwas Zeit schinde. Für Dich, im Grunde; was mich angeht, kann ich gehen. Buch geschrieben, Bäume gepflanzt und Euch gibt es auch. Check, check, check. Zwei Chemos gäbe ich mir nicht, so lieb ich Dich hab. Na, vielleicht zwei.

Post~

Das Präfix „Post~“ besagt doch nicht so sehr, dass das um ihn durch die Voranstellung Erweiterte in dem Sinne überwunden sei, dass es vorbei sei, also der Vergangenheit angehöre, sondern dass es soweit reflektiert worden sei, dass sich schon Leute identifizieren lassen, die sich in Bezug auf das Erweiterte im jeweils akuten Diskurs nicht auf dem aktuell höchsten gemeinsam zugänglichen Reflexionsniveau äußern.

[Mai 2017]

Retrekification

Hindrich zieht sich irgendwie doch wieder ST: TNG rein (ab der vierten Staffel; 1990) und wird sich sämtliche Produkte des Star-Trek-Franchise in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung („air date“ in der episode guide app) ansehen. Auch die furchtbare siebente Staffel von ST: Voy (2001). Schschwöre. 

Die Arbeit an das_geflecht wird also eventuell fortgesetzt. Pop! Cultcha! Pop cultcha! 

Gibt es eigentlich irgendetwas aus dem Beta-Quadranten zu berichten? Fühle mich leicht abgehängt.

Lebt lang und gedeiht.