Ich nahm sein Angebot an, und wir sprachen darüber bei einigen Bieren, die er ausgeben musste, denn ich war pleite.
Sei es mutig, zu glauben? Oder Realitätsflucht?
Es sei vor allem entscheidend, überhaupt ein Credo zu haben, sagte er. Es reiche nicht aus, daran zu glauben, dass die Armbanduhr richtig gehe, solange sie nicht defekt sei. Jenseits des bereits Definierten fange Hoffnung an, und erst recht Liebe. Sonst könne man nicht einmal sich selber lieben. Die Naturwissenschaften böten einen Minimalkonsens, der Tiefe vortäusche durch Kleinteiligkeit der Erkenntnisse und durch Unübersichtlichkeit ihrer Darbringung. Angst und Methode. Wissen und Verwaltung von Wissen sei wichtig, aber für fundierte Entscheidungen im Leben, für Weichenstellungen, kaum von Bedeutung. Denn den Vorschuss gegenüber der Erfahrung bräuchten wir, und das nenne er Vertrauen, Glaube. Und Mut, ja.
Ich beschrieb eine Befindlichkeit des Gottvertrauens, die ich als junger Erwachsener in mir gefunden hätte. Genaugenommen hätten es andere bei mir beobachtet, und – zum Teil bewundernd, zum Teil hämisch – geäußert, dass ich nie Zeichen von Resignation oder Verbitterung gezeigt hätte.
Er fragte, wo es hin sei, mein Urvertrauen.
Ich war beeindruckt, dass er etwas derart Intimes zu fragen wagte. Und ich war getroffen von der bloßstellenden Beobachtung. Wir hatten uns erst zweimal gesprochen.
Ich antwortete lächelnd, wenn auch abwiegelnd, dass ich erwachsen geworden sei, und daran arbeiten würde. Zur Zeit würde ich eher hadern mit Gottes Entscheidungen, dass ich mir aber vorstellen könne, wieder mit Ihm ins Reine zu kommen.
Er nickte. Resignation sei, wenn man aufhöre zu warten.
Oder wenn man zu genau wisse, worauf man warte, ergänzte ich.
Er stimmte zu. Im Umgang mit Gott sei es allemal so, dass zu konkrete Erwartungen nur enttäuscht werden könnten. Das sei Gottes eigentliche Wirksamkeit.
Erwachsen zu werden heiße wohl, sich der eigenen Erwartungshaltung bewusst zu werden, stellte ich fest.
»Wie wird man erwachsen, ohne zu resignieren?«, fragte ich.
»Nur mit Toleranz«, antwortete er.
»Nur mit Trost«, fügte ich an.
»Prost!«, riefen wir beide.
[etwas älter (2008?); leicht überarbeitet]